Sexualität als Spiegel ungelöster Beziehungsthemen

Wenn wir Schwierigkeiten mit Sexualität erleben, hat es oft nichts mit Sexualität an sich zu tun.

 

Natürlich macht es trotzdem Sinn, körperliche Ursachen beim Arzt abzuklären, aber ich finde es ganz wichtig bei der Arbeit mit Sexualität viel Aufmerksamkeit auf die emotionalen Komponenten und Bindungs- und Beziehungsebene zu richten.

 

Körperkontakt ist, meine Meinung nach, oft nur eine Symptomebene, und wenn wir die Symptome richtig verstehen lernen, die sich dort zeigen, anstatt sie beseitigen zu wollen, kann es unsere Kontakt- und Beziehungsfähigkeit vertiefen und stärken.

 

Blockaden, Unlust, Dringlichkeit, Not, Schmerzen, Druck, Perfektionsansprüche und Vermeidungsstrategien, die sich in Sexualität zeigen, wollen gehört und verstanden werden. Und dann kann sein, dass Sexualität sich ganz von alleine verändert, weil das die natürliche Art von zwei Menschen in einer Beziehung ist, miteinander zu sein. 

 

Sexualität findet im Körper statt, das stimmt, aber wenn wir uns nur mit dem Körper beschäftigen, ignorieren wir die Bindungs- und Beziehungsebene, die meiner Erfahrung nach die Hauptquelle der Schwierigkeiten ist.

Das heißt nicht, dass Körperarbeit nicht ergänzend gut tun und unterstützend sein kann, aber wenn die Beziehungsebene nicht adressiert wird, manifestieren die Schwierigkeiten sich immer wieder, und es kann eine nachhaltige Veränderung verhindern.*

 

Wie kann sich über Sexualität das zeigen, was wir in unseren alltäglichen Beziehungen/Partnerschaft nicht leben?

 

Das kann man natürlich nicht pauschal beantworten, weil es sehr individuell ist, und wir immer genau schauen müssen. Aber ich versuche hier zwei Beispiele zu nennen, die aufzeigen können in welcher Richtung du forschen könntest falls du Schwierigkeiten mit deiner Sexualität erlebst. Und ich lade dich ein meine Hypothese selbst zu überprüfen ob das für dich stimmt.

 

 

1️⃣ Erlebst du dich in deinen Beziehungen eher emotional distanziert und verschlossen? Wenn es aber um sexuelle Begegnung geht, spürst du Ungeduld, Dringlichkeit, Hunger? Wenn du „Nein" hörst, kommst du damit überhaupt nicht zu recht und fühlst dich persönlich gemeint und abgelehnt? Vielleicht wirst du oft fordernd, sauer und nimmst viel Ladung und Anspannung im Körper wahr, die du loswerden möchtest? Vielleicht hast du das Gefühl, dass es dir bei dieser Begegnung um Leben und Tod geht und dass es lebensnotwendig für dich ist, jetzt Sex zu haben?

Oder du verlierst die Hoffnung das zu bekommen was du brauchst und ziehst dich beleidigt zurück.

 

Wenn du dich in der oben genannten Beschreibung erkennst, dann kann es sein, dass es gut für dich wäre, dich zu fragen, ob du dein Bedürfnis nach Nähe und Kontakt außerhalb der sexuellen Ebene wahrnimmst, kommunizierst und auslebst.

 

Ich lade dich ein über folgendes zu reflektieren:

 

-Wie gehst du mit deiner Bedürftigkeit und Verletzlichkeit um?

-Teilst du den anderen mit, wenn du dich einsam, hilflos und traurig fühlst? 

-Fragst du nach Hilfe, wenn du Unterstützung brauchst? 

-Erlaubst du, dass jemand für dich da ist? 

-Gibt es nährende tiefe Begegnungen in deinem Leben? 

-Erlaubst du dir, mit anderen Menschen emotional verbunden und intim zu sein?

 

 

2️⃣ Erlebst du dich in deinen Beziehungen eher abhängig und bedürftig? Wenn es aber um die sexuelle Ebene geht, fühlt sich dein Körper blockiert und taub an? Du hast keine Lust auf Sexualität und möchtest dich ständig nur wehren? Du spürst viel Widerstand im Körper und möchtest dich zurückziehen und nichts mit Sexualität zu tun haben? 

Oder du strengst dich an etwas zu empfinden, zwingst dich zu sexuelle Begegnungen, weil du meinst anderen das geben zu müssen oder versuchst deine Unlust zu überspielen und dein Widerstand zu überwinden?

 

Dann kann es sein, dass es gut für dich wäre, dich zu fragen, ob du dein Bedürfnis nach Autonomie und Abgrenzung außerhalb der sexuellen Ebene wahrnimmst.

 

Ich lade dich ein über folgende Fragen zu reflektieren:

 

-Wie gehst du mit deiner Kraft, Eigenständigkeit, Unabhängigkeit um?

-Sagst du den anderen Menschen, wenn du etwas nicht möchtest? 

-Teilst du den anderen mit, wenn es dir zu viel, zu schnell ist oder dich etwas überfordert? 

-Erlaubst du dir, dich zurückzuziehen und dir Zeit zu nehmen, wenn dir danach ist? 

-Bist du gut im Kontakt mit deiner Wut? Und kannst du es anderen mitteilen, wenn du Wut fühlst?

 

 

Nähe und Autonomie sind zwei biologische Grundbedürfnisse, die es uns ermöglichen, in einer Beziehung zu sein. Oft wurden wir in einem von diesen Bedürfnissen durch unsere Bezugspersonen, Umgebung oder traumatische Ereignisse in der Vergangenheit tief verletzt. Wenn wir infolgedessen gelernt haben eines davon zu ignorieren und nicht direkt in einer Beziehung auszuleben, verschwindet es nicht, sondern muss über Umwege befriedigt werden.

 

Es gibt viele Umwege, aber am wahrscheinlichsten davon wäre die Sexualität. Dort sind wir am ehrlichsten. Körper und Sexualität könnten zuverlässigen Indikatoren sein, die uns zeigen, wo wir uns von uns selbst und unserem Lebensstrom trennen. Und oft passiert diese Trennung dort wo wir uns von unseren wichtigsten biologischen Grundbedürfnisse n und unseren authentischen Gefühlen trennen.

 

Wenn wir uns unseren eignen Bedürfnissen nach Nähe und/oder Autonomie liebevoll zuwenden und lernen, sie in unseren Beziehungen wahrzunehmen, zu respektieren und zu kommunizieren, dann können wir erfahren, dass wir wieder an unseren Lebenstrom angeschlossen sind und mit uns selber und anderen verbunden sind.

 

Das kann sich auf verschiedenen Ebenen spiegeln - z.B. mehr Wohlbefinden, Lebendigkeit, Gesundheit,  Lebensfreude, Beruf, Geld - und in einer erfüllten Sexualität.

 

Wenn du deine Beziehungskompetenz stärkten und vertiefen möchtest und dir eine respektvolle und friedvolle Kommunikation für deine Partnerschaft wünschst, empfehle ich dir zwei Methoden, die dich dabei unterstützen können: Ehrliches Mitteilen nach Gopal Norbert Klein (eine Selbsthilfe Methode, die du mit deinem Partner wunderbar zuhause anwenden kannst) und NARM (Neuro-affektives Beziehungsmodel nach Laurence Heller, darf nur von ausgebildeten Fachkräften angewendet werden).

 

*falls du sexuelle oder körperliche Gewalt in deinem Leben erfahren hast, kannst du dich an Schocktrauma Spezialisten (z.B. Somatic Experiencing, TRE usw), Psychotherapeuten oder Arzt wenden.

 

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