Scham entsteht, wenn du nicht sein darfst, wie du bist - wenn du nicht gesehen wirst, wie du bist. Wenn du in deinem Dasein mit deiner Einzigartigkeit nicht willkommen und gefeiert wirst. Sobald du auf die Welt kommst, wirst du sofort Anforderungen und Erwartungen ausgesetzt. Du musst etwas tun, dich anstrengen, um dazuzugehören und existieren zu dürfen. Du darfst nicht einfach sein. Dadurch entsteht Scham und der Gedanke, dass du nicht in Ordnung bist, so wie du bist, und dass du anders sein musst.
Wir können natürlich den Eltern für diese Scham die Schuld geben, aber wenn wir weiter schauen, erkennen wir, dass dies nicht nur mit den Eltern zu tun hat. Die Eltern sind nur ein Teil einer Gesellschaft, die mit Scham und Schuld vergiftet ist. Eine Gesellschaft, die darauf ausgerichtet ist, etwas zu tun, um existieren zu dürfen, etwas zu erreichen, sich zu beweisen und die eigene Wichtigkeit über das Tun und Machen zu definieren.
Es wird nicht viel Wert drauf gelegt was du BIST, sondern auf das, was du erreichst hast. Es lässt Menschen ständig an sich zweifeln und sich auf dem Selbstoptimierungtrip erschöpfen.
Das ist sehr traurig, weil Scham unseren natürlichen, authentischen Ausdruck verbirgt und unsere Einzigartigkeit, Liebe und Lebensenergie unterdrückt.
Wenn wir von Scham gesteuert sind, funktionieren wir nur, ohne wirklich mit dem verbunden zu sein, was wir tun. Scham trennt uns von uns selbst und von der Welt. Wir verstehen nicht was wir wirklich wollen, was wir sind, sondern tun nur das was getan werden muss.
Wie können wir unsere Scham überwinden?
Es lässt sich nicht in zwei Sätzen beantworten, aber den ersten Schritt ist die Erkenntnis, dass wir Scham empfinden. Du erkennst deine Scham an ständige Selbstkritik, Selbstvorwürfe, Selbsthass, niedrigen Energie Level, Prokrastination, Glaubenssätze wie „ich bin nichts“, „mit mir stimmt was nicht“, „ich bin schlecht“ usw.
Der zweite Schritt ist Mitgefühl für das Kind zu haben, das damals nicht gesehen und nicht in seiner Einzigartigkeit mit seinen Talenten und Gaben anerkannt wurde. Das Kind, dass sich anstrengen musste um etwas zu sein was er nicht ist um Erwartungen der Umgebung zu erfüllen. Das wird dir helfen zu verstehen, dass du Scham fühlst, nicht weil mit dir etwas nicht stimmt, sondern weil deine Umgebung nicht fähig war, dich zu sehen und dich in deinem Sein zu erkennen.
Der dritte Schritt besteht darin, die Gefühle kennenzulernen, die das Kind damals empfunden hat, als es nicht gesehen wurde. Es könnten Wut und Trauer sein. Diese Gefühle stehen in direkter Verbindung mit deiner Lebensenergie und mit deinem authentischen sein, und je mehr du sie zulässt, desto lebendiger wirst du dich fühlen. „Zulassen“ bedeutet hier nicht, sie auszuagieren, sondern sie zu benennen, zu würdigen, zu verkörpern und zu lernen Raum in sich für diese Gefühle zu halten.
Und der vierte Schritt ist, deinen eigenen authentischen Ausdruck kennenzulernen und zuzulassen. Dadurch befreist du nach und nach deine Lebensenergie und staunst und bewunderst, welche neuen Wege sich für dich öffnen, wenn Scham nicht mehr über dein Leben bestimmt.
Es kann sein, dass der Weg zur Schamheilung stolperig sein wird und es Momente geben wird, die sich als sehr existenziell anfühlen. Manchmal kann sich das so anfühlen als ob Scham stärker wäre als du. Manchmal wirst du dich orientierungslos fühlen, weil du in ein unbekanntes Land eintrittst und nicht immer genau weißt, wie dein authentischer Ausdruck ist und wie du bist. Du kannst es dir wie eine neue Beziehung vorstellen, die immer Zeit braucht. Deine Rückkehr zu dir selbst und das kennen lernen von dem was du wirklich bist erfordert ebenfalls Zeit, Geduld und viel Mitgefühl.
Aber ganz sicher ist und das kann ich dir aus eigener Erfahrung sagen, dass hinter deiner Scham immer die unerschöpfliche Quelle deiner Lebendigkeit, deiner Liebe und deiner Einzigartigkeit liegt. Und diese Quelle viel stärke und mächtige ist, als alle Traumen und Hindernisse und Erwartungen, weil diese Quelle das Leben selbst ist.
Kommentar schreiben
Roger (Sonntag, 26 November 2023 13:52)
Liebe Anna, Du hast sehr Recht. Ich bin nun auf dem Weg - mit Deiner Hilfe - die Scham zu erkennen und mit der Zeit abzulegen.